Alster Anzeiger,
Donnerstag, 30. März 2000
Ein Zipfel vom Paradies in Sasel
Und wieder: Äpfel in der Hauptrolle
(im) Was für ein Schatz Auf
der Heide 39 zu heben war, haben die Pächter mehr zufällig aber
mit sicherem Blick für "Naturereignisse" entdeckt. 1979
zogen Elke und Dieter Nitz in ihr denkmalschutzverdächtiges Haus.
Drei Jahre später konnten sie die danebenliegende Koppel pachten
- für Tochter Natalies Pony.
Bei näherer Inspektion ihrer 2,5 Hektar umfassenden "Ländereien"
fanden sie die historische Streuobstwiese mitten in Sasel. 100 Apfelbäume
reckten ihre Kronen aus der Wildnis. Ehepaar Nitz sorgte für Licht,
Luft und Platz zwischen den Trägern der paradiesischen Früchte.
Dabei stellte sich heraus: Im Kernteil der
Streuobstwiese stehen die Bäume ordentlich in Reih' und Glied - mit
einigen "altersbedingten" Lücken. 1996 wurde eine erste
Bestimmung der Apfelbäume vorgenommen. Der Pomologe fand 35 Apfelsorten
- viele davon gehören edlen alten Sorten an, die heute kaum mehr
bekannt sind. Vom Altländer Pfannkuchenapfel über Krügers
Dickstiel bis Ruhm von Kirchwerder. Mittlerweile hat auch der Bund für
Umwelt und Naturschutz Deutschland vom Schatz in Sasel Kenntnis genommen.
Zusammen mit dem Botanischen Verein zu Hamburg und der Stiftung Naturschutz
Hamburg wurde beschlossen, dieses wachsende Kulturdenkmal zu schützen
und Ehepaar Nitz bei der Entwicklung der Streuobstwiese zu helfen. Den
Anfang machten am vergangenen Sonntag 20 junge Apfelbäume mit bestem
alten Stammbaum. Die spendierten Baumbabys wurden gemeinsam gepflanzt
und füllen nun die altersbedingten Lücken.
Schätzungsweise entstand die Streuobstwiese um 1920. Dieter Nitz
nimmt an: "Bauer Kramp hat die Bäume gesetzt." Und zwar
schön symmetrisch im Abstand von neun Metern. Einige tanzen allerdings
aus der Reihe. Zum Beispiel der wohl älteste Vertreter namens Boskop.
Er wird auf rund 100 Jahre geschätzt und hat ein richtiges Gesicht.
Vielleicht haben die schon vorhandenen Bäume Bauer Kramp inspiriert,
die geometrische Apfelplantage anzulegen. Seine Erben sind nun fest entschlossen,
das Kleinod mitten in Sasel wieder auf Hochglanz zu polieren. Dieter Nitz,
Diplom-Ingenieur und neuerdings im Vorruhestand: "Jetzt kann ich
mich erst richtig darum kümmern."
Den Anfang machten 20 Birken, die sich eingeschlichen haften. Mit nachbarlicher
Hilfe konnte der Kraftakt bereits erledigt werden. Des weiteren brauchen
die Bäume einen fachgerechten Schnitt und dann können sich Nitz,
Freunde, Nachbarn und Spaziergänger wieder über eine prachtvolle
Baumblüte freuen. In diesem Jahr auch zwei Bienenvölker: Dieter
Nitz' Kollege Hollman, ebenfalls im Vorruhestand, ist Bienenzüchter
und schickt seine fleißigen Flieger in die Apfelblüten. Während
die Früchte reifen, hält Dieter Nitz mit der Sense das Gras
in Schach. kümmert sich um rund zwei Kilometer Zäune und drei
Ponys. Des weiteren gehören zum ländlichen Paradies chinesische
Seidenhühner und Kastilianer, die besonderen Lieblinge von Elke Nitz.
Sie vertilgen Ungeziefer und sorgen für köstliche Eier.
Von Juli bis Dezember bestimmen die Äpfel das Leben auf der Heide
39. Den Anfang der Ernte macht der "Klarapfel". Erst wird "gebadet".
Die Äpfel durchlaufen eine Wäsche in einer Badewanne auf selbstgebauten
Holzgestell. Elke Nitz und die apfelbegeisterte Garten-Freundin Marion
Rüsch zerlegen die Früchte in Stücke und anschließend
geht's in die alte hessische Obstpresse. Den Handbetrieb besorgt Dieter
Nitz. Ein großer Teil des Saftes wird sofort frisch an Freunde und
Nachbarn verteilt. Ein weiterer Teil wird haltbar gemacht und auf Flaschen
gezogen. Viele Äpfel sehen auch einer weiteren Karriere als Apfelwein
entgegen. Die gesamte "Fabrikation" läuft per Handbetrieb
und auch der letzte Apfel wird aufgesammelt. Ist dann "Stina Lohmann"
dran, steht Weihnachten vor der Tür und viele Flaschen Apfelsaft
und Wein im Regal. Die bislang größte Apfelernte gedieh 1998.
2720 Liter Saft kamen aus der Presse. Elke Nitz und Marion Rüsch
führen genau Buch. Möglicherweise wird der Rekord in diesem
Jahr mit BUND und Bienenhilfe noch übertroffen. Dieter Nitz hat ja
jetzt mehr Zeit für die Presse.
Und für weitere Ideen: Künftig sollen auch naturschätzende
Mitmenschen das kleine Paradies mit seinem inzwischen 122 Apfelbäumen
erleben dürfen Geplant sind Führungen zur Baumblüte, zur
Vogelkunde, denn auch die Gefiederten wissen die Steuobstwiese mit allem
Drum und Dran zu schätzen und für Fledermäuse, die das
Stückchen Landleben lieben.
|